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Die Geschichte des Hofes Niedermeyer

Rede von Dr. Richard Sautmann gehalten am 24. Juli 2004
(ins Englische übersetzt von Lutz Hollmann-Raabe)

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

hier auf dem Hofe Niedermeyer in Berghausen befinden wir uns auf geschichtlich außerordentlich interessanten und bedeutendem Gebiet. Leider existieren über die Anfänge des Hofes keine Unterlagen mehr, aber dennoch lässt sich mit ziemlicher Sicherheit folgendes festhalten:

Die Höfe Niedermeyer und Obermeyer in Berghausen dürften ursprünglich ein zusammengehöriger Hof, nämlich ein "Meyerhof" gewesen sein. Im frühen Mittelalter, im Übergang von der sächsischen zur karolingischen Zeit, soll heißen vor rundweg 1.200 Jahren, hatten die Meyerhöfe noch eine bestimmte Aufgabe. Sie dienten dem Adel als eine Art Oberhof auf dem Gebiet ihrer Bauerschaft. Diese Meyerhöfe waren, wenn Sie so wollen, Mittler zwischen den Bauern und dem Adel. Sie waren es, die dafür sorgten, dass die Äcker des Adels bestellt und ihre Scheunen mit der Ernte gefüllt wurden. Sie waren es auch, die für die Ableistung der Dienste sorgten, so dass der Adel seinem eigentlichen Geschäft nachgehen konnte, dem Krieg nämlich.

Im weiteren Verlauf des Mittelalters aber wurden die Meyerhöfe mehr und mehr entbehrlich. Der Adel hatte nun seine eigenen Verwalter, und fortan übernahmen sie all jene Dienste, die die Meyerhöfe bislang getan hatten. So wurde der Berghauser Meyerhof zu einem ganz normalen, allerdings recht großen Bauernhof, ohne weitere besondere Aufgaben. Zu irgendeinem Zeitpunkt wurde der Meyerhof dann aufgeteilt und es entstanden die Höfe Niedermeyer, wo wir uns jetzt befinden, und Obermeyer. Der Rechtsstatus des Hofes Niedermeyer im Mittelalter war ein ganz anderer, als wir es uns heute vielleicht vorstellen. Sie waren Hörige, d.h., sie waren einem sogenannten Grundherrn untertan, dem Hause Ravensberg nämlich.

Grundherrschaft meinte das Eigentum an Grund und Boden sowie an den Hörigen, die aus ihrer Hörigkeit heraus zu Diensten und Abgaben verpflichtet waren, mit denen wiederum Lebensstandart und das politisch-militärische Engagement des Adels finanziert wurde. Fast alle Bauernhöfe gerieten im Verlauf des Mittelalters in die Abhängigkeit vom grundbesitzenden Adel bzw. vom Landesherrn als Grundherrn. Konkret galten in der Grafschaft Ravensberg rund 85 % der ländlichen Bevölkerung als Eigenbehörige. Um 1550 gehörten nur rund 43 % der Eigenbehörigen dem Landesherrn als Grundherr. Beinahe 45 % standen in der Abhängigkeit vom ministerialen Adel, ca. 11 % gehörten der Kirche und nur 1 % der Bauern waren frei. Eigenhörigkeit bedeutete kurz gesagt, dass der hörige Bauer zwar ein vererbliches Nutzungsrecht an seinem Hofe hatte, er aber doch nicht der Eigentümer war. Eigentlicher Eigentümer des Hofes war der Grundherr,  und weil dem so war, hatte dieser im Idealfall das Recht auf "besaet", d.h. er entschied, mit welchem Bauern der Hof besetzt wurde. Im Regelfall hatte der Grundherr das Recht auf eine Abgabe bei Hofesübernahme und schließlich noch einen Anspruch auf den Nachlass eines verstorbenen Hörigen. Zudem war der eigenbehörige Bauer zumeist mit sämtlichen Familienmitgliedern auf Grund seiner Hörigkeit dem Grundherren dienstpflichtig; Hörigkeit hatte also konkrete Konsequenzen, die man am eigenen Leibe spürte und die gelegentlich zu unmäßigen Arbeitsverpflichtungen führen mochten.

Neben den fundamentalen und dennoch unkalkulierbaren Belastungen, führte die Grundherrschaft noch eine Reihe weiterer Belastungen mit sich, die es erst einmal zu finanzieren galt. Regelmäßige Dienste auf den Gütern des Grundherrn zählten dazu, Dienstjahre für Söhne und Töchter, dazu pachtartige Abgaben aus dem Ernteertrag des Landes, welches dem Grundherrn eigen war, aber auch Abgaben z.B. an Schweinen. Damit hörten die Belastungen für die bäuerlichen Betriebe aber noch nicht auf. Sie trugen auch die Abgaben, die die Landesherrn ihren Untertanen auferlegten. Gemeint sind hier weniger Steuern, die ohnehin nur gelegentlich erhoben wurden. Gemeint sind vielmehr jene Abgaben, die der Landesherr aus Einzelrechten, die ihn in der Summe zum Landesherrn werden ließen, erhob. Zu solchen Abgaben gehören etwa die Gogerichtsabgaben, die der Landesherr als Gerichtsherr erhielt, oder das Markgeld, das der Landesherr als Holzgraf erheben durfte.

Schauen wir nun einmal, in welchen konkreten Abhängigkeiten der Niedermeyer in Berghausen zum Ende des Mittelalters stand, welche Abgaben er leisten musste und vor allem auch welchen gesellschaftlichen Status der Hof inne hatte. Aus einer Aufstellung aus dem Jahre 1556 erfahren wir zunächst, dass der Bauer zu dieser Zeit Diederich hieß. Der Hof wird mittlerweile nicht mehr "Meyer" sondern "Niedermeyer" genannt. Selbstverständlich finden wir zu dieser Zeit auch den Hof Obermeyer in Berghausen. Beide zusammen dürften ursprünglich der "Meyerhof" gewesen sein. Sie werden mittlerweile "heelspänner" genannt. Grob übersetzt bedeutet dies, dass sie zu den größten Höfen zählten, über dementsprechend viel Land verfügten und auch viele Dienste und Abgaben dafür leisten mussten. Der Hof verfügte über viele Ländereien, aber nur über wenig Vieh. Vier Schweine mästete Bauer Niedermeyer im Jahr, und zwei dieser vier Schweine musste er seinem Grundherrn abgeben. Beim Bauern Obermeier war es übrigens genau das selbe. 

Schauen wir einmal genauer auf die Dienste und Abgaben des Hofes Niedermeyer in Beghausen. Jede Woche musste der Niedermeyer einen Tag mit zwei Pferden für den Grundherren - in diesem Falle das Haus Ravensberg - arbeiten oder aber zwei Goldgulden bezahlen. Geld war knapp, also wird der Bauer jede Woche einen Knecht und zwei Pferde abgestellt haben. Zudem musste Bauer Niedermeyer noch seine Abgaben bezahlen: Große Mengen an Roggen, Gerste und Hafer wurden fällig, dazu pro Jahr: 2 Schlachtkühe, 2 Schweine und 2 Hühner. Außerdem gab der Hof noch 2 ½ Schillinge an die Kirche in Borgholzhausen und den selben Betrag an die Kirche von Bockhorst.

Der Rechtsstatus der Höfe, die Abhängigkeit vom Adel, blieb noch Jahrhunderte lang bestehen. Die Bauern hatten nur ein eingeschränktes Nutzungsrecht an ihren Höfen. Sie durften etwa keine Ländereien verkaufen, keine Kredite aufnehmen und waren auch kaum imstande, in die Kultivierung der umliegenden Ländereien zu investieren. Erst mit der Aufhebung der Hörigkeit im frühen 19. Jahrhundert wurden die Bauern frei und Eigentümer ihrer Ländereien. Nun erst wurde die Masse des weithin noch unbebauten Landes bearbeitet und es entstand jene Kulturlandschaft, die wir noch heute kennen.

 
     
 

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